„Operation bei Rückenschmerzen oder Wirbelsäulenerkrankung, ja oder nein?“

Einschätzungen des orthopädischen Chefarztes, der Theresienklinik in Bad Krozingen, Dr. med. Hans-Jürgen Hesselschwerdt

Bei Rückschmerzen oder Wirbelsäulenerkrankungen wird nach Meinung des orthopädischen Chefarztes der Theresienklinik, Dr. Hans-Jürgen Hesselschwerdt, zu häufig und zu schnell operiert. Einen Hauptgrund für die OP-Zunahmen sieht er in der Einführung des fallpauschalierten Abrechnungssystems der Krankenhäuser.  Die Erwartungshaltung der Patienten  und der Wunsch nach einer „schnellen Problemlösung“ können aber mitverursachend sein, wenn nicht alle gezielten multimodalen konservativen Therapien ausgeschöpft und die Selbstheilungspotenz des Körpers durch ein geeignetes Training nicht abgewartet werden.

 

Im Vorfeld aller Entscheidungen ist es aus Hesselschwerdt´s Sicht wichtig, geeignete Maßnahmen in einem ausführlichen Gespräch zu erörtern. Dabei geht es um ein Gespräch zwischen Arzt und Patient auf Augenhöhe, im Sinne einer partizipativen Entscheidungsfindung. Viele Patienten wollten nicht, dass über ihren Kopf hinweg entschieden wird, weil sie mit den Folgen dieser Entscheidungen leben müssten, nicht der Arzt. Beide entscheiden gemeinsam über die anstehenden Untersuchungen und Behandlungen, die dann auch gemeinsam verantwortet werden. Der Arzt ist Experte für das medizinische Wissen und der Patient ist Experte für seine persönlichen Lebensumstände, seine Werte und seine Präferenzen.

Bei jedem Patientenkontakt ist zu entscheiden, welche diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen notwendig und sinnvoll sind und was dem Patienten eher schadet als nützt. Ein Zuviel an medizinischen Leistungen kann genauso abträglich sein, wie ein Zuwenig. Dabei darf die Qualität der Versorgung nicht leiden. Der Patient soll all das bekommen, was seiner Genesung oder seiner chronischen Erkrankung dient.

 

Eine Studie in den USA konnte zeigen, dass durch eine umfassende Aufklärung von Bandscheibenpatienten mit Videomaterial die OP-Häufigkeit im Vergleich zu einer Kontrollgruppe um 22 % niedriger ausfiel, und das bei gleichem klinischen Ergebnis. Aus diesem Grund ist es sehr wichtig, dass die Patienten noch besser über die einzelnen Therapieoptionen aufgeklärt werden. Die Entscheidung zur Operation kann der Patient umso mehr für sich individuell sinnvoll treffen, wenn er ausreichend über alternative Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt ist. Dies bedeutet, mehr „sprechende Medizin“, die leider nur unzureichend im deutschen Gesundheitssystem vergütet wird, aber womöglich Kosten von teuren Operationen senken könnte.

 

Aber nicht jede Operation ist vermeidbar, gibt Hesselschwerdt zu beachten. Bei, für den Patienten, unerträglich starken Schmerzen, bei sich entwickelnden Lähmungen einzelner oder komplexer Muskelgruppen und beim sogenannten „Caudasyndrom“ mit Blasen- und Darmlähmung und gleichzeitiger „Reithosenanästhesie“ zum Beispiel, führt kein Weg an einer Operation vorbei.

 

Weitere Informationen erhalten Sie während einem Vortrag von Chefarzt Dr. Hesselschwerdt zum Thema: „Rückenschule“ am Mittwoch, 6. oder 20. April 2016 jeweils um 16.15 Uhr im großen Vortragssaal der Theresienklinik in Bad Krozingen.